Ortsgeschichte Wiechs

Wiechs im Wandel der Zeiten

Die Geschichte von Wiechs begann früh, wahrscheinlich ist die Besiedlung der Wiechser Gemarkung weit vor der Schopfheimer erfolgt, denn die mäandierende Wiese machte in Vorzeiten eine Besiedlung des Wiesentals schwer; auf einer leichten Anhöhe war jedoch ein sicheres Leben möglich. Die Gemarkung steigt vom Dinkelberg herab ins Tal der großen Wiese, überschreitet diese und dringt in die Talmündung der kleinen Wiese ein, so dass die Gemarkung Schopfheim mit dem Maulburger Bann keine Berührung hat. Bereits 1858 wurde im Gewann "Heidengräber" ein spätmerowingisches Grab entdeckt.

Um 1970 wurden zwei weitere durch aufgeworfene Wurzelteller freigelegte Gräber sichtbar. Am Rande eines weiteren Wurzeltellers fanden sich ortsfremde Sandsteine und kleine menschliche Knochenpartikel. Diese Fundstelle liegt am Fuß eines flachen, angerundet rechteckigen Hügels. Weitere Grabfunde lassen darauf schließen, dass es sich hier um einen jungsteinzeitlichen Bestattungsplatz handeln muss.

Nachdem die Kelten die Herrschaft über Südwestdeutschland verloren hatten, machten sich unter Kaiser Claudius in unserer Gegend die Römer breit. Die "Römerstrasse" über den tiefsten Punkt des Dinkelberges läuft auch über Wiechser Gebiet.

Karl Bäumle berichtet, dass er beim Neubau des Markus-Pflüger-Heimes auf Brandreste eines großen Lagerfeuers gestoßen sei; ob man das Gewann „Katzenloh“ auf ein Loh (Feuer) ableiten kann, das der germanische Volksstamm der Chatten auf ihrer Volkswanderung bis an die damalige römische Grenze, den Rhein, gemacht hat. Wer kann es belegen? Die Chatten haben sich dann später im Raum Hessen niedergelassen.

Nach 200jähriger Zugehörigkeit zum Imperium Romanum ging 260 n. Chr. mit dem Einfall der germanischen Alemannen das ganze rechtsrheinische Gebiet wieder verloren. Mit der Einwanderung der Alemannen ist also weitgehend ein Wechsel der Bevölkerung, der Sprache, der Religion, der Siedlungs- und Wirtschaftsform verbunden.

Unser Ort wurde 807 erstmals urkundlich erwähnt. Damals schenkte Emthrud den von ihrem Vater ererbten Besitz an das Kloster St. Gallen. Es ist zu vermuten, dass dieser Besitz denselben Weg gegangen ist wie die Schopfheimer Güter des Klosters St. Gallen; sie fielen später dem Benediktiner-Kloster Murbach im Elsass zu.

Weit vorher liegt die erste urkundliche Erwähnung des untergegangenen Ennigen. Ein gewisser Stachfried von Oninchova (Ennikon) schenkte 758 ebenfalls Liegenschaften an das Kloster St. Gallen.

Die Gemarkung Wiechs setzt sich heute zusammen aus dem Dorf sowie mehrerer abgegangener Kleinsiedlungen, auf die nur noch Flurnamen hinweisen; z.B. Ennigen / Enikon (758), Altschweilmatt / Ansoldowilare (807), Lienhoven / Linikon (1392).

Des öfteren waren die an sich freundschaftlichen Beziehungen von Schopfheim zu den Nebenorten gestört, zumal die Stadtgemeinde Privilegien festzuhalten suchte, die sich irgendwann einmal überlebt hatten. Die Waidgangstreitigkeiten zogen sich über Jahrhunderte dahin. Schon 1511 wurde ein solcher zwischen Wiechs und Eichen einerseits und Schopfheim andererseits dahin entschieden, dass Schopfheim das Waidrecht im sogenannten "Umkreis", d.h. nur am Tag mit dem Zugvieh benutzen durfte. 1666 beschwerten sich Wiechs und Eichen, dass ihnen durch Umstockung des Sengelewaldes von Seiten der Stadtgemeinde der Waidgang geschmälert wurde. 1700 waren schon wieder Schiedsrichter zwischen Wiechs und Schopfheim tätig, trotz eines Vergleiches machten jedoch die Wiechser Bauern weiterhin Übergriffe. 1736 erfolgte dann eine Bannteilung zwischen Wiechs und Schopfheim und der jahrhundert alte Streit wurde beendet. Das Ende des Streites wurde mit einem feierlichen Umzug und anschließenden Bankett gefeiert.

Die rechtlichen Verhältnisse zur Herrschaft und dem besitzenden Adel der Stadt Schopfheim sahen um 1680 folgendermaßen aus: Alle Bürger des Bannes Schopfheim, darunter Wiechs waren leibeigen. Die Zehntverhältnisse für Wiechs waren so festgeschrieben: die eine Hälfte der Herrschaft (Markgraf von Baden), die andere Hälfte von Roggenbach und von Weiß; der sogenannte Ennikoner-Zehnt gehört die Hälfte der Herrschaft, die andere Hälfte deren von Tegernau und der Geistlichen Verwaltung in Rötteln. Die Hochwildjagd gehört der Herrschaft, die Kleinwildjagd denen von Roggenbach.

Um 1700 zählte der Ort 36 waffenfähige Männer, was einer Einwohnerzahl von 180 bis 200 Personen entsprechen dürfte. 1786 zählte Wiechs 350 Seelen. 1813 waren es 403 Einwohner, 1900 stieg die Zahl auf 730 an. 1939 waren es 942 und 1974 betrug die Zahl 1450. Heute sind wir knapp unter 2000 Einwohner.

Wiechs lag, da zum Schopfheimer Dinghof gehörig, im Zwing und Bann der Stadt Schopfheim, eine Verbindung, die erst im 19. Jhdt. gelöst wurde. Die Besoldung der Stadtbediensteten erfolgte meist in Naturalien, Gefällen, Freiheiten und Rechten und weniger in Geld. So musste auch Wiechs die Schopfheimer Beamten unterstützen. Wiechs musste dem Schopfheimer Vogt jedes Jahr acht Wagen Holz liefern, der Vogt musste jedoch den Fuhrleuten Trunk und Suppe geben.

Wiechs wurde durch einen Stabhalter verwaltet, der dem Schopfheimer Vogt unterstand. Unterstützt wurde er von mehreren Gerichtspersonen, für den Gemeindewald war der Weidgesell, für die Verwaltung des Gemeindebesitzes der Gemeindeschaffner zuständig. Ein Gemeindehaus war lange nicht vorhanden. Seit 1767 konnten die Versammlungen jedoch im Schulhaus abgehalten werden.

Anfang des 19. Jhdt. lösten sich, unter den großen politischen Veränderungen, die alten Bindungen der Stadt Schopfheim zu den Nebenorten, während gleichzeitig die Privilegien immer mehr wegfielen. Die Bannteilung mit Wiechs erfolgte 1803. Ab diesem Zeitpunkt, bzw. mit der Durchführung der Landesorganisation, bei der jeder Ort einen eigenen Ortsvorgesetzten hatte, einen Bürgermeister in den Städten, einen Vogt in den Landorten, sowie als Volksvertretung einen Gemeinderat. Während der Deutschen Revolution 1848-49 berührte der Struve-Aufstand den Dinkelberg besonders stark. Struves Ruf fand besonders in Wiechs und Adelhausen Anklang. In einem Untersuchungsbericht vom 1. Dezember 1849 heißt es deshalb: "Während die meisten Gemeinden von diesen revolutionären Bewegungen sich fernhielten, haben die Gemeinden Wiechs und Adelhausen die meisten Teilnehmer gestellt und erhielten deshalb auch später Exekutionstruppen (Preussen)." Bürgermeister Brändlin von Wiechs und Bürgermeister Jakob Hohler von Adelhausen stellten sich offen auf die Seite der Revolution. Beide wurden deshalb verhaftet und vom Ministerium von ihren Ämtern abgesetzt.

Im 20. Jhdt. forderten die beiden Weltkriege auch in Wiechs einen hohen Blutzoll. So verloren im WK II 43 Männer aus Wiechs ihr oft sehr junges Leben.

Die Nachkriegszeit war wie andernorts auch sehr entbehrungsreich, mussten doch auch die franz. Besatzungstruppen von den Bauern aus Wiechs mitversorgt werden. Gleich-zeitig kamen die ersten Flüchtlinge aus dem Osten, denen galt es Unterkunft und Hausrat zu geben.

Im Dezember 1970 schrieb der damalige Bürgermeister von Fahrnau an den Bürgermeister von Wiechs, ob man der drohenden Eingemeindung nicht entgehen könnte, wenn Fahrnau, Maulburg, Eichen, Langenau und Wiechs eine Verwaltungsgemeinschaft mit Schopfheim eingehen würde. Im Wiechser Antwortschreiben wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Selbständigkeit so weit wie möglich erhalten bleiben sollte. Die Entwicklung brach jedoch schneller über den Wiechser Gemeinderat herein, als er sich das denken konnte. Am Schluss gab es nur noch trotzige Rückzugsgefechte; die Selbständigkeit war verloren, nicht einmal einen Ortschaftsrat wurde den Wiechser zugestanden.

Nachdem alle Dämme gebrochen waren, fand am 20. Januar 1974 eine schnell durchgeführte Bürgeranhörung statt. Bei einer Beteiligung von 49,5% sprachen sich 83,8% gegen einen Anschluss an Schopfheim aus. Wiechs ging nicht dem Beispiel Eichens nach, die mit erhobenem Kopf ihre Selbständigkeit verloren. Der Wiechser Gemeinderat gab kurz vor Torschluss klein bei, um eine "Eingemeindungsprämie" von 75,-DM pro Einwohner zu kassieren.

Zwei Punkte des Eingemeindungsvertrages sind bis heute noch nicht erfüllt und werden zurzeit diskutiert, die Friedhofneugestaltung und die Aussegnungshalle. Wenn man bedenkt, dass Wiechs inzwischen auf fast 2000 Einwohner angewachsen ist und ein Großteil der baulichen Leistungen von den Wiechser Vereinen getätigt werden soll, ist es nur verständlich, dass die Wiechser baldmöglichst (über 30 Jahre seit dem Vertragsabschluss) mit diesen Vorhaben anfangen wollen.

Die Neubaugebiete Rebacker, Rheinfelderstr. Bachtale haben viele Neubürger nach Wiechs gebracht. Hoffen wir, dass es ihnen gefällt und sie vom regen und umfangreichen Vereinsleben in Wiechs Gebrauch machen. Die Vereine sind der Garant dafür, dass das Wiechser Gemeinschaftsgefühl weiter intensiv gepflegt wird.

Als Ortsvorsteher wünsche ich mir, dass Wiechs in einer sich immer mehr öffnenden Welt als Wohn- und Kultureinheit erhalten bleibt, denn der Mensch braucht Fixpunkte im Leben, auf die er sich zurückziehen kann.

Ino Hodapp
Ortsvorsteher von Wiechs